KI-Adventskalender | Tag 19 | KI und Baufortschrittskontrolle


Hinter dem heutigen Türchen verbirgt sich ein Ansatz, wie die Generierung und Erkennung von akustischen Daten die automatisierte Baufortschrittskontrolle ergänzen kann.

In der Bauwirtschaft in Deutschland arbeiten aktuell 2,5 Mio. Beschäftigte. Diese erwirtschaften mehr als 10 % des deutschen BIP. In Sachen-Anhalt gehören ca. 17.000 Beschäftigte (Ende Juni 2022) zu diesem Sektor und damit ist er hierzulande einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren (8,3 % Anteil in 2019) [1]. Der Bausektor ist geprägt durch einen hohen Anteil manueller Tätigkeiten in den primären Arbeitsprozessen der Leistungserbringung, des Monitorings, des Controllings und der Abrechnung. Dies erfordert einen hohen personellen Aufwand, der in Sachsen-Anhalt nicht zur Verfügung steht [2], [3]. Der Digitalisierungsstand ist im Bauwesen unter allen Branchen in Deutschland am geringsten [4]. Dabei wird besonders die Umstellung auf mehr digitale Zusammenarbeit als Hürde gesehen. Grund dafür sind das Fehlen des fachlichen Know-Hows der Mitarbeiter und der Fachkräftemangel, die interne Akzeptanz (78%) und die Sicherstellung der Cybersecurity [5]. Weiterhin gaben die Unternehmen in der Baubranche an, dass der innerbetriebliche Wissenstransfer sowie die Informationsverarbeitung in Echtzeit 2017 zu den größten digitalen Herausforderungen zählten [6], da Daten zu den Bauprozessen häufig nicht rechtzeitig, unvollständig und nur begrenzt digital zur Verfügung stehen.

Die Digitalisierung der Baubranche erfordert eine Vielzahl an heterogenen Daten aus unterschiedlichen Quellen. Damit verbunden sind häufig komplexe Aufnahme-, Auswertungs- und Analyseprozesse, um die entstehenden Informationen effektiv für die jeweiligen Anwendungsfälle verfügbar zu machen. Der Ansatz einer akustischen digitalen Baufortschrittskontrolle, welche das Monitoring von Arbeitsvorgängen, das Tracking von Werkzeugen bzw. Baumaterialien auf der Baustelle unabhängig von Wetter und Blickwinkel, sowie mit geringem Datenaufwand, automatisiert, kann sehr zur digitalen Optimierung einer Vielzahl von Prozessen beitragen. Im Rahmen des Forschungsprojektes “ProKI-Bau: KI-basierte, multimodale Baufortschrittskontrolle” (gefördert durch das Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt) hat das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF erste Ergebnisse in Bezug auf eine intelligente Automatisierung erzielt. Neben Literaturrecherchen wurden Expertengespräche mit Vertretern der Baubranche durchgeführt und für das Projekt mit einem Fokus auf eine KI-basierte Baufortschrittskontrolle Anwendungsfälle identifiziert und priorisiert. Im weiteren Projektverlauf wurde der Aspekt eines KI-basierten SOLL-IST-Abgleichs des Baufortschritts konzeptioniert und realisiert.

 

Generierung und Erkennung von akustischen Daten

Da akustische Daten von Baumaschinen ein hohes Maß an Periodizität aufweisen (und damit Muster erkennbar werden) und im Vergleich zu Videos kleinere Datenmengen produzieren, haben sie großes Potenzial eine automatisierte Baufortschrittskontrolle zu ergänzen. Die Bewertung der aufgenommenen Signale durch eine Künstliche Intelligenz macht enorme Weiterentwicklungen in diesem Bereich möglich. Aufnahmen mit einem Mikrofon können einen größeren Bereich abdecken, als eine rein visuelle Überwachung und sind von der Sichtbarkeit des Ortes unabhängig. Weiterhin müssen keine Sensoren an Maschinen oder Ausführenden angebracht werden. Dies hält die Kosten für diese Technik gering.

Basierend auf diesem Ansatz konzipierte das Projektteam einen semiautomatischen Workflow, der in den folgenden Prozessschritten abläuft:

  1. Datenaufnahme: Als ein erster Ansatz zur akustischen Identifikation des Bauzustandes wurde gemeinsam mit dem Praxispartner das Gewerk der Fliesenarbeiten bestimmt. Um Trainingsdaten zu erheben, erfolgte gemeinsam mit dem Bauleiter der Fliesenarbeiten der Firma Toepel Bauunternehmung GmbH die Begutachtung der Arbeit auf der Baustelle. Es wurde ein hochwertiges Mikrofon der Firma Norsonic aufgebaut und die originale akustische Situation des Fliesenlegens auf der Baustelle aufgenommen. Zusätzlich kam ein Scanner der Firma Faro zum Einsatz, der die Situation vor und nach der Fliesenlegung visuell festhielt. Die Bauausführenden wurden in ihrer Arbeit weder gestört, noch im Platz eingeschränkt. Gleichzeitig erfolgte die Verschriftlichung der Tätigkeiten, um im Nachgang die akustischen Signale für das Training der KI labeln zu können.
  2. Vorverarbeitung der Ausgangsdaten: Nach der Datenaufnahme erfolgte eine Vorverarbeitung der Ausgangsdaten. Die Eingabegeräusche werden vereinheitlicht und anschließend wurde ein Mel-Spektrogramm berechnet.
  3. Modellerzeugung: Im Anschluss wurden mit dem Praxispartner vier Geräuschklassen bei den Fliesenlegetätigkeiten festgelegt, die von der KI identifiziert wurden:
    a. Fliesenkleber mit der Kelle auftragen (i. auf der Fliese / ii. an der Wand/auf dem Boden)
    b. Fliese schneiden
    c. Fliese / Schiene flexen
    d. Fliese anklopfen

Die Klassifikation ist das Kernelement des eigentlichen KI-Verfahrens. Nach erfolgreichem Import der verfügbaren Daten und einer optionalen Aufbereitung erfolgte die Aufteilung der Ausgangsdaten in kleinere Datenmengen von 1s und die Verarbeitung durch die KI.

 

Demonstrator zum Nachweis der Anwendbarkeit des entwickelten Verfahrens

Das im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprojekts “ProKI-Bau” entwickelte KI-Verfahren wurde als Mehrwertapplikation in einen Demonstrator eingefügt und wird in Zukunft mit zusätzlichen, aufgenommenen Daten optimiert. Dadurch werden KI-basierte Analysen für die anderen Gewerke auf der Baustelle zur Verfügung stehen.

Der Demonstrator ist so aufgebaut, dass weitere Anwendungsfälle in Form von Mehrwertapplikationen einfach hinzugefügt werden können. In der Grundvariante besteht er aus der Management-App (siehe Abbildung 1), aus einem Basissystem inklusive einer Datenbank und der Möglichkeit zur KI-basierten Datenauswertung. Es wurde ein Rollen-Rechte-System integriert mit dem Bauausführende ausschließlich Zugriff auf ihre Tagesaufgaben (in der Aufgaben-App) haben. Bauleitern steht zudem noch die Ansicht des Bauablaufplanes zur Verfügung. Dieser wird für ihn in mehreren zeitlich eingrenzbaren Ansichten visualisiert. Es kann darin nach Gewerken gefiltert werden. Bei Auswahl einer Aufgabe erscheint ein separates Fenster mit Angaben zum Ausführenden und der vorgesehenen Soll-Zeit. Unteraufgaben können darin ausgeblendet werden. Beim Wechsel zu den Details der Aufgabe kann zusätzlich der aktuelle Status der Aufgabe, sowie die Ist-Zeit eingesehen werden. Hier werden auch alle hinterlegten und zugeordneten Daten aufgeführt. Die Fotoaufnahmen des Bauausführenden/-leiter zur Dokumentation der Bauausführung werden angezeigt und die akustischen Aufnahmen können über einen separaten Button analysiert werden.

Die Aufgaben-App (siehe Abbildung 2) zeigt dem Bauausführenden seine Tagesaufgaben mit genauen Informationen zu Ort und Art. Es gibt Buttons zum Starten, Pausieren und Beenden der Tätigkeiten. Diese sind mit der Management-App verknüpft und aktualisieren in Echtzeit den Status der Aufgabe. Bei Pausierung der Aufgabe ist die Aufnahme eines Fotos direkt aus der App erforderlich. Weiterhin muss ein Grund aus einem Dropdown-Menü ausgewählt werden. Zur Beendigung reicht ein Foto aus. Danach wird die Aufgabe aus der Liste der Tagesaufgaben entfernt und dem Bauleiter zur Abnahme zur Verfügung gestellt. Dieser bestätigt mit einem Foto die korrekte Erledigung der Aufgabe oder weist sie bei Mängeln zurück.

 

Fazit

Die Ergebnisse des Projektes “ProKI-Bau” stellen einen wesentlichen Fortschritt der Digitalisierung auf der Baustelle dar. Die automatische Dokumentation und Bewertung des Baufortschritts sind dabei nur erste Anwendungsfälle. Monitoring-, Controlling- und Abrechnungsprozesse werden in Zukunft durch diese Optimierung wesentlichen profitieren und automatisierter ablaufen. Die Forschungsergebnisse sind integraler Bestandteil des Weges zur Digitalen Baustelle.

 

Literaturverzeichnis

[1]          statistik.sachsen-anhalt.de/themen/wirtschaftsbereiche/baugewerbe/page

[2]          BMVI, Reformkommission Bau von Großprojekten – Endbericht, 2015.

[3]          Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Stellungnahme zum Endbericht der Reformkommission Bau von Großprojekten, 2015.

[4]          www.digital-x.eu/de/magazin/digitalisierungsindex/baugewerbe

[5]          www.pwc.de/de/digitale-transformation/herausforderungen-der-deutschen-bauindustrie.html (PWC-Studie 2021)

[6]          library.fes.de/pdf-files/bueros/sachsen-anhalt/13749.pdf

 

Das Projekt “ProKI-Bau” wurde aus Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt finanziert. (Förderkennzeichen 79000-81 P070)


19.12.2023