Die gemeinsame Veranstaltung am vergangenen Montag im Fraunhofer Forum in Berlin, zu der gut 120 Teilnehmer kamen, diente nicht nur der Vorstellung der Studie, sondern auch einzelner Fallbeispiele aus dem Mittelstand. So berichtete ein Malermeister aus dem Rheingau, wie er seinen Malerbetrieb nahezu vollständig digital organisiert und steuert und so die Qualität seiner Leistungen und auch die Rentabilität seines Betriebes deutlich steigern konnte.
Lothar Fehn-Krestas vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat hielt in seiner Eröffnungsrede fest, dass die Studie zur rechten Zeit komme, sie gebe Anregung für die Branche, in Digitalisierung zu investieren. Er drückte die Überzeugung aus, dass besonders die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die die deutsche Bauwirtschaft maßgeblich prägen, agiler und schneller auf den digitalen Wandel reagieren können und erfolgreich neue Prozesse und Techniken nutzen können. Entscheidend sei, dass die momentan starke konjunkturelle Phase, in der die deutsche Bauwirtschaft endlich wieder Geld verdiene auch dazu genutzt werde, “die Branche stark zu machen und sie weiterzuentwickeln.”
Noch jedoch, so legt es die ZEW-Studie nahe, ist die deutsche Bauwirtschaft eher zögerlich dabei, digitale Techniken und Methoden einzusetzen oder sich mit diesen aktiv zu beschäftigen. So hinke laut der ZEW-Studie die deutsche Baubranche beim Einsatz digitaler Technologien hinterher und zwar sowohl im Vergleich zu anderen Branchen als auch im internationalen Vergleich. Bislang investiere die Baubranche wenig in Digitalisierungsprojekte und beschränke sich dann oftmals auf den Einsatz grundlegender digitaler Lösungen wie die der elektronischen Rechnungsstellung oder CAD-Anwendungen (genutzt von 38,5 Prozent bzw. 36,2 Prozent der Unternehmen in der Baubranche, einschließlich des Planungsbereichs). Bauspezifische Technologien wie 3D-Scanner oder VR-Anwendungen werden dagegen eher selten genutzt (2,8 Prozent bzw. 7,5 Prozent der Unternehmen). Die vollständige Studie ist online über diesen Link abrufbar.
Als zentrale Hemmnisse für die erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsprojekten gelten laut der ZEW-Studie der zu hohe finanzielle (62,4 Prozent der Unternehmen) und zeitliche (61,5 Prozent) Aufwand, der mit Digitalisierungsprojekten einhergehe. Als hinderlich wurden von der Mehrzahl der befragten Unternehmen weiterhin zu strikte Datenschutzregeln (57,5 Prozent), der unzureichende Breitbandausbau (55,6 Prozent) und fehlende Standards und Schnittstellen (54,9 Prozent) wahrgenommen. Bemerkenswert ist, dass über die Hälfte der Unternehmen (52,1 Prozent) schlichtweg keine Notwendigkeit für Digitalisierungsprojekte sieht.
„Insbesondere kleine Betriebe, die im Baugewerbe besonders zahlreich zu finden sind, können nicht die Zeit aufwenden, sich mit der Digitalisierung zu befassen. Dabei wäre es wichtig, sich auf konjunkturell weniger gute Zeiten vorzubereiten und gerade die Digitalisierung kann dazu beitragen“, sagt Prof. Dr. Irene Bertschek, Projektleiterin der Studie und Leitung des ZEW-Forschungsbereichs „Digitale Ökonomie“.
Dass aber auch und besonders kleine Unternehmen von digitalen Technologien profitieren können, zeigte Frank Oswald, der einen Maler- und Stuckateurbetrieb im Rheingau hat und gut 25 Mitarbeiter beschäftigt. Er zeigte auf der Veranstaltung in Berlin, wie Digitalisierung in der mittelständischen Betriebspraxis nicht nur gelingt, sondern auch entscheidend zum Betriebserfolg beiträgt. So stattet Frank Oswald alle seine Mitarbeiter mit Smartphones aus, über die die Arbeitszeiterfassung oder auch die Baustellendokumentation erfolgt und so durchgängige digitale Workflows ermöglicht werden. Von der Auftragsannahme über die Angebotskalkulation und die Organisation des Personal- und Materialaufwands bis hin zur Dokumentation aller Leistungen und der Rechnungslegung erfolgen alle Arbeitsschritte voll digitalisiert und entlasten ihn als Geschäftsführer sowie seine Mitarbeiter wesentlich. Das drücke sich letztlich auch im betriebswirtschaftlichen Geschäftserfolg seines Malerbetriebs aus, den Frank Oswald als überdurchschnittlich gut bezeichnete.
03.12.2019