Der Büroneubau von Volkswagen Financial Service in Braunschweig stellt das zentrale Praxisprojekt des Forschungsprojektes „BIMiD – BIM-Referenzobjekt in Deutschland“ dar. Ziel war die Demonstration der BIM-Methode im Rahmen eines Büroneubaus unter Berücksichtigung einer für Deutschland typischen mittelständischen Projektzusammensetzung. Das Gebäude wurde mittels BIM geplant und gebaut, die dabei erstellten Gebäudedatenmodelle kommen nach wie vor im Betrieb zum Einsatz.
Generelle Zielsetzung
Das Projekt „BIMiD – BIM-Referenzobjekt in Deutschland“ war zwischen November 2013 und Februar 2017 Teil der Förderinitiative „eStandards: Geschäftsprozesse standardisieren, Erfolg sichern“. Die Förderung erfolgte im Rahmen des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital – Strategien zur digitalen Transformation der Unternehmensprozesse“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Das Ziel von BIMiD bestand darin, die Building-Information-Modeling-Methode anhand von konkreten Bauprojekte beispielhaft zu demonstrieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu dienen, BIM insbesondere in der mittelständisch geprägten deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft zum Erfolg zu verhelfen.
Im Zentrum des Verbundprojekts BIMiD steht ein konkretes Bauvorhaben, bei dessen Planung und Bauausführung von Beginn an diese Prozesse und Standards angewendet, weiterentwickelt und wissenschaftlich evaluiert werden. Neben technischen Aspekten (Schnittstellendefinition) und Fragen der Anwendungsmethodik widmet sich BIMiD auch der Arbeitsorganisation, der Vertragsgestaltung und der Nutzer-Akzeptanz.
Basisinformationen zum Projekt
BIMiD sollte die Frage klären, ob mit den bereits verfügbaren Werkzeugen, Methoden und Kenntnissen zu BIM eine erfolgreiche Anwendung der Methode in der Praxis der deutschen Bauwirtschaft möglich ist. Zum Zeitpunkt des Projektstarts lagen noch sehr wenige Praxiserfahrungen vor. Es lagen bereits erste Anwendungs- und Entwicklungsprojekte zu BIM vor, die allerdings vorwiegend von großen Baukonzernen initiiert und durchgeführt wurden. Die große Frage bestand demnach darin, inwieweit es der kleinteiligen Bauwirtschaft in Deutschland gelingen kann, ebenfalls von den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung zu profitieren und ggf. Faktoren zu identifizieren, die der Anwendung entgegenstehen.
Um eine möglichst breite Anwendung und Verwertung der Ergebnisse zu gewährleisten, sollte es ein „normales“ Bauvorhaben sein und kein z. B. architektonisch außergewöhnliches oder in seiner Nutzungsart sehr spezifisches Bauwerk. Das Ziel war, ein Projekt zu finden, bei dem sich möglichst viele Anwender wiederfinden können. Ein Referenzprojekt sollte demnach das Gebäudedatenmodell möglichst bis zum Betrieb nutzen, die Umsetzungsstruktur sollte durch Einzelvergabe an kleine Planungsbüros erfolgen, zudem sollte das Projekt hinsichtlich Baukosten und Planungsaufgabe von mittlerer Komplexität sein.
Das Neubauvorhaben „Bürogebäude Haus H“ der Volkswagen Financial Services AG am Standort Braunschweig erfüllte all diese vorab definierten Zielkriterien. Die Initiative, das fünfgeschossige Verwaltungsgebäude mit BIM-Methoden zu planen und zu bauen, ging direkt vom Bauherrn Volkswagen Financial Services AG aus. Die Nutzung besteht in flexiblen Büroarbeitsplätzen sowie einem großen Schulungsbereich. Die Besonderheit, dass das Bauvorhaben eine Erweiterung des Baukörpers darstellt, welcher in gleicher Form bereits zuvor nach konventionellen Planungsmethoden realisiert wurde, erlaubte eine zusätzliche sehr interessante Vergleichbarkeit der BIM-Anwendung. Die Begleitung des Bauvorhabens begann mit dem Planungsstart zur Jahresmitte 2014.
Fazit
Projektstruktur
Die Planungsleistungen wurden auf Grundlage von Einzelverträgen mit den verschiedenen Fachplanern erbracht. Sowohl für die beteiligten Planer als auch für den Bauherrn stellte die Verwendung der BIM-Methode eine Neuerung dar. Der Bauherr und der spätere Nutzer/Betreiber gehören einer Organisation an, sodass in sehr hohem Maße die Nutzeranforderungen bereits in den grundlegenden Planungsschritten integriert werden konnten. Der Betreiber wird für die Steuerung der Prozesse seines Gebäudebetriebs auf einem 3D-Gebäudemodell aufsetzen, dem eine feste Datenstruktur vorgegeben wird. In der Konsequenz bedeutet dies, dass mit der Objektübergabe ein REVIT-Modell übergeben werden sollte. Hierfür hat sich der Bauherr sein Team mit einem externen BIM-Management verstärkt.
Bim-Anwendung Planen und Bauen
Im Folgenden werden verschiedene Aspekte der Bim-Verwendung näher beleuchtet. Die thematische Auswahl basiert auf der Konzeptualisierung des BIMiD-Leitfadens.
- Software: Die Verwendung von BIM-Software war im Projekt sehr unterschiedlich. Während einige Planer mit Fachmodellen arbeiteten, haben andere Planer aufgrund von mangelnden Software-Kenntnissen ihre Pläne mit 2D-CAD-Programmen erstellt. Die Verwendung verschiedener Planungssoftware erschwerte deutlich eine medienbruchfreie Zusammenarbeit im gesamten Planungsteam, da die jeweils verschiedene Datenhaltung von Geometrie und Bauteilinformation nicht kompatibel war. Um dieses Problem zu adressieren, wurde vom Bauherrn das Projektteam um die neue Rolle des Modellierers erweitert. Beim Modellierer liefen alle Planungsdokumente im jeweiligen Austauschformat zusammen, um dann zentral in ein einheitliches, auf einer Softwarelösung basierendes Gebäudedatenmodell integriert zu werden. Durch diese organisationale Lösung, die Zentralisierung der nötigen BIM-Software-Kompetenz in einer Position, konnte erfolgreich mit einem Modell gearbeitet werden.
- IT-Standards: Da die Planung teilweise in BIM-Software, teilweise in 2D-CAD-Software erstellt wurde, kamen nur zwischen denjenigen Planern offene Schnittstellen zum Einsatz, die auch modellbasiert geplant hatten. Die Verwendung verschiedener Planungssoftware und damit einhergehend verschiedener Austauschformate erschwerte deutlich eine medienbruchfreie Zusammenarbeit im gesamten Planungsteam. Aufgrund der heterogenen Formate erfolgte die Datenintegration zur Erstellung eines Koordinationsmodells über den genannten Modellierer, der als „menschliche Schnittstelle“ fungierte. Der Modellierer führte die übermittelten DWG- und IFC-Dateien zusammen, indem er eine Nachmodellierung der jeweiligen Planung vollzog.
- Kommunikation: Die vom Modellierer und den BIM anwendenden Planern erstellten Modelle konnten erfolgreich als das maßgebliche Vehikel für eine verbesserte Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten verwendet werden. So spielten 3D-Modellierungen im Projekt eine herausragende Rolle bei der Abstimmung zwischen den Akteuren, der Strukturierung der Diskussion von Varianten und der Prüfung auf Kollisionen. Neben den wöchentlichen Planungsbesprechungen sind an dieser Stelle die immersiven Planungsbesprechungen zu nennen, im Rahmen derer dank moderner VR-Technologie im 3D-Modell planerische Probleme identifiziert, diskutiert und letztlich gelöst wurden. Nicht zuletzt dank der Anschaulichkeit des dreidimensionalen Gebäudemodells wurde eine Kultur der problem- und lösungsorientierten Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten geschaffen.
- Prozesse: Im Projekt wurden Arbeitsabläufe dergestalt definiert, dass viele Aufgaben späterer Planungsphasen vorgezogen werden konnten. Dies hatte zur Folge, dass zu einem früheren Zeitpunkt ein weit entwickelter und abgestimmter Planungsstand erreicht wurde. Aufgrund zentraler Festlegungen konnten somit Detailplanungen parallelisiert werden. So konnte durch eine frühe Variantenprüfung zentraler Parameter wie des Tragwerkkonzepts, des Heiz- und Lüftungssystems sowie der Aufteilung der Gebäudeflächen ein gemeinsam abgestimmter Planungsstand modellbasiert erstellt werden. Ausgehend davon wurde inkrementell die Detaillierung der Planung vorangetrieben. Als Ergebnis der Parallelisierung dieser Prozesse konnten mit Abschluss der Planungsphase abgestimmte und vollständige Baupläne an die ausführenden Baufirmen übergeben werden, ohne dass von deren Seite noch eine Detailplanung nötig war. Die in der Branche oft monierte „baubegleitende Planung“ war demnach kaum existent. Der hohe Detailgrad der Planung zeigte sich nicht zuletzt an einer deutlich verminderten Anzahl nötiger Umplanungen, Umbauten und Nachträgen. Außerdem wurde seitens des Bauherrn eine modellbasierte Abrechnung des Rohbaus erfolgreich erprobt.
- Kosten: Nach Angaben des Bauherrn konnten in einigen Gewerken deutliche Kostensenkungen durch die Verwendung der BIM-Methode realisiert werden. Das Modell repräsentierte einen detaillierten und abgestimmten Planungsstand. Da dadurch viele Fehler wie beispielsweise Kollisionen zwischen den Fachplanungen schon in der Planungsphase identifiziert wurden, konnte der Bau effizient fast ohne Umplanungen umgesetzt werden. Durch ein flächeneffizienteres Tragwerk konnte ca. 20 % mehr Nutzfläche bei gleichen Gebäudeaußengeometrien erreicht werden, was auch zu erheblichen Einsparungen im späteren Gebäudebetrieb führt. Zudem wurde die Anzahl der Nachträge halbiert, was sich auch kostenseitig in der Halbierung des üblicherweise für Nachträge aufgewendeten Anteils der Investitionssumme manifestierte.
- Zeit: Der hohe Grad an Abstimmung hinsichtlich der Modellplanung erlaubte es einigen Gewerken, zeiteffizienter als in der Vergangenheit ihre Aufgaben umzusetzen. Dies war besonders dem Umstand geschuldet, dass weniger Nach- und Parallelplanung notwendig wurde, so dass die Bauphase teilweise verkürzt wurde.
- Qualität: Aufgrund des Modells konnten effizient verschiedene Varianten des Tragwerkskonzepts geprüft werden. Anhand der schon festgelegten Nutzungsparameter wie Mindestbüroflächen, Anzahl Besprechungsräume etc. wurde anhand des Modells das Tragwerkskonzept überarbeitet, um einen optimalen Flächennutzungsplan zu realisieren.
BIM im Betrieb
Da das Gebäude von derselben Organisation erstellt und genutzt wird, wurden die späteren Anforderungen an Gebäude und Informationsmodell konsequent in der Planung mitgedacht. So waren Vertreter des Flächenmanagements und des technischen Gebäudemanagements schon ab der frühen planerischen Phase involviert, um die spezifischen Bedarfe aus Betriebssicht einzubringen. Gegenwärtig kommen die Gebäudedatenmodelle aus der Planungs- und Bauphase nach wie vor im Betrieb zum Einsatz.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekte „BIMiD – ein Referenzobjekt für Deutschland“ finden Sie unter folgendem Link.